erleiden in den letzten Jahrzehnten erhebliche Bestandseinbrüche. Für die Hälfte der Pflanzenarten, ein Drittel der Insektenarten und vier Fünftel der Vogelarten sind Rückgänge der Populationsgrößen belegt. Das Rebhuhn ist besonders dramatisch zurückgegangen. Deshalb hat sich seit kurzem auch in der Wetterau ein Rebhuhn-Hegering aus fachkundigen Jägern gebildet, der sich mit konzertierten Maßnahmen für das Überleben des kleinen Feldhuhns einsetzt. Im Revier Büdingen-Wolf setzen die Jagdpächter Hans-Dieter Stehr und Wilfried Balser mit ihrem Team die Initiative »Pro Natur« der Hegegemeinschaft Büdingen-Nord fort. Ein Revierkonzept verfolgt im Feldbereich eine Biotopvernetzung: Der Umwandlung von Brachen in blühende Wildäsungsflächen schließt sich die Renaturierung von Graswegen an. Dazu prädestiniert war der Grasweg »Doppelter Weg« zwischen den Gemarkungen Büdingen und Wolf. Auf eine Fläche von ca. 1400 qm wurde von Revierjäger Hans Hess (rechts) per Hand eine Flugwildmischung mit verschiedenen Wildkräutern und Sonnenblumen eingebracht. Vom Erfolg konnte sich jetzt Büdingens Bürgermeister Erich Spamer, gleichzeitig Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Büdingen, überzeugen. »Gerade nach der Ernte wird die Bedeutung der grünen Lebensader zwischen den braunen und deckungslosen Feldflächen auch dem Laien bewusst!«, so Spamer anerkennend. hr/Foto: Stehr
Aus Grasweg wird neuer Lebensraum
Im Revier Büdingen-Wolf setzen sich Jäger und Landwirte für den Erhalt prägender Tierarten unserer Kulturlandschaft ein. Die Jagdpächter Hans-Dieter Stehr und Wilfried Balser setzen damit die Initiative »Pro Natur« der Hegegemeinschaft Büdingen-Nord fort. Der Umwandlung von Brachen in blühende Wildäsungsflächen, prädestiniert für die sensiblen Feldbewohner Rebhuhn, Fasan und Feldhase, schließt sich, dem Beispiel des Düdelsheimer Pilotprojektes mit der Neubegrünung von Graswegen folgend, die Renaturierung von Graswegen an. Sie werden mit einem Wildkräuter-Gemisch eingesät und stellen als neue Lebensräume Brücken zwischen Landnutzung und Naturschutz dar. Auch die Renaturierung der Graswege gehört zu einem Revierkonzept, das im sensiblen Feldbereich eine sogenannte Biotopvernetzung verfolgt.
Dazu prädestiniert war aktuell der Grasweg »Doppelter Weg« an der Grenze zwischen den Gemarkungen Büdingen und Wolf. Am Freitag, dem 26. Juni 2015 wurde von Mathias Mäser nach vorheriger Absprache mit den Landwirten, der Jagdgenossenschaft und der Stadt Büdingen der doppelt breite Feldweg für eine Einsaat vorbereitet. Der vorhandene Grasweg mit einer Fläche von insgesamt ca. 1.400 qm wurde durch Mathias Mäser gemulcht und mit einer Scheibenegge der Boden saatfertig gemacht. Als Saatgut wurden 4 kg Flugwildmischung CL 1100 (Revierberatung Wolmersdorf) mit Buchweizen, Alexandrinerklee, Schwedenklee, Schwarzhafer, Winterfutterraps, Sonnenblume, Inkarnatklee, Fenchel, Futter-/Markstammkohl, Staudenroggen Permontra, Blaue Süßlupine, diploid Rotklee, Öllein, Leinsaat, Flachs und Staudenroggen Reimonta von Revierjäger Hans Hess mit der Samenmühle per Hand eingebracht. Auch die meisten Feldwege im Revier Büdingen-Wolf sind mit einer robusten Grasvegetation überzogen, die im Frühsommer gemulcht wird, um Sameneintrag in das benachbarte Getreide zu verhindern. Sobald nun die Felder abgeerntet sind, fehlen den Feldarten vom Hamster bis zum Rebhuhn, den Singvögeln und Insekten, Deckungs- und Nahrungsflächen. Nur diese Graswege und die wenigen Grabenraine können diese Funktion noch ausfüllen. Ziel ist es, in Absprache mit den Landwirten, auf in die Biotopvernetzung passenden, mit Wildkräutern neu eingesäten Wegen Grenzlinien sowie Deckung und Äsung entlang der großen Äcker herzustellen. Die auf den Wegen eingesäten Pflanzenmischungen tragen dagegen bis in den Herbst hinein wechselnde Blüten und werden nicht nur von den Bienen, sondern einer Vielzahl von Insekten genutzt.
Der renaturierte »Doppelte Weg« wird als Strukturelement in der Landschaft die Pflanzenvielfalt fördern und den Lebensraum für die Arten der Feldraine gestalten. Sie finden dort Deckung und Nahrung, insbesondere sobald die Ernte innerhalb weniger Tage die Feldflur vollständig verändert. Wichtig ist auch, den »Feinddruck« zu beachten, denn die Biotopverbindungen und Deckungsflächen werden nach der Ernte von Hase, Fasan und Rebhuhn bevorzugt angenommen. Die Kosten der Aktion teilen sich Landwirt Mathias Mäser und die Jagdpächter. Bei aller Sorge um das Niederwild ist Jagdpächter Hans-Dieter nach wie vor den Landwirten dankbar für das Mulchen der übrigen Graswege zwischen den Getreide- und Maisäckern. Denn nur dadurch haben die Jäger die Chance, das massiv in den Feldfrüchten zu Schaden gehende Schwarzwild zu bejagen.
Büdingen-Düdelsheim (hr). Jedes Jahr finden nach Schätzungen der Deutschen Wildtierstiftung mehr als eine halbe Million Wildtiere auf landwirtschaftlich genutzten Wiesen den Tod durch die Mähmaschinen. Außer den geschätzten 90.000 Rehkitzen trifft es besonders schlimm die Wiesenbrüter unter den Vögeln, deren Gelege den hoch technisierten Mähgeräten zum Opfer fallen. Fakten – bis hin zu regionalen Totalausfällen beim Nachwuchs vieler Tierarten – die Jägern und Landwirten bekannt sind. Und immer wieder wurde und wird versucht, dem grausamen Tod durch Zerfetzen und Verstümmeln Einhalt zu gebieten.
Verantwortungsvolle Jäger vergrämen die Wiesen, in denen die Rehgeißen ihre Kitze ablegen mit Windräder, suchen mit dem Vorstehhund die hohe Graslage ab. Bauern investieren mittlerweile in Abweiser und Schallkanonen an ihren Maschinen. Aber alle Maßnahmen einmal zu bündeln, eine »konzertierte Aktion« durch Landwirte, Jäger und Öffentlichkeit zu schaffen, hat erst der 1. Feldtag des Jagdvereins »Hubertus« Büdingen im Revier Düdelsheim geschafft. Mit durchschlagendem Erfolg und großer Breitenwirkung in Presse, Funk und Fernsehen. Jüngst mit einem eigenen Beitrag in RTL, bei dem im Revier von Harald Zingg das rettende Zusammenspiel zwischen Landwirt – in diesem Fall Mathias Mäser (Wolf) beim Grasschnitt – und Jägern über den Bildschirm flimmert (www.rtl-hessen.de/
video/8610/maehtod-von-rehkitzen-vermeiden).
Mohr ist vereidigter Sachverständiger für Forstwirtschaft im Fachgebiet Jagd und beschäftigt sich als Inhaber des Ingenieurbüros Mohr + Partner in Büdingen auch beruflich mit den Auswirkungen menschlichen Tuns auf die Natur. Der überzeugte Niederwildjäger und Forstmeister a. D. setzt sich seit vielen Jahren für den praktischen Naturschutz ein. Er hat erkannt, dass viele Naturschutzmaßnahmen ins Leere laufen, wenn die Jäger nicht eingebunden sind. Im Lehr- und Ausbildungsrevier des Jagdvereins »Hubertus« Büdingen in Heuchelheim bereiten Mohr und seine Helfer Versuche vor, um Licht in verschiedene Zusammenhänge zu bringen. Gerade deshalb ist der Insider »fassungslos über die hessische Naturschutzpolitik«, die der Jägerschaft »nur noch ein Daseinsrecht bei der Schädlingsbekämpfung wie Reh- und Rothirsch im Wald, Wildschweine im Feld und den Waschbären auf dem Dachboden« zugestehen will. Dort, wo unsere Natur und unsere frei lebende Tierwelt massiv leide, höre man nichts vom Tierschutz und Naturschutz. Mohr bezieht sich dabei im Schwerpunkt auf die bedrohten Arten der Feldflur.
Im Büdinger Stadtteil Düdelsheim, wo Andreas Mohr bereits mit seiner Feldwege-Renaturierung für Aufsehen sorgte, wurden beim 1. Feldtag an sechs Feldständen alle Möglichkeiten der Brut- und Jungwildrettung systematisch dargestellt. Begleitet wurde die Maßnahme von Mitgliedern des Jagdvereins »Hubertus« Büdingen als erfahrene Jäger und Hundeführer.
Für die Besucher gab es einen Exkursionsführer, in dem alle Verfahren beschrieben und bewertet wurden. Im Rahmen der Bewertung sind alle wichtigen Merkmale beschrieben, ihre Kosten, der Zeitaufwand, die Einbindung anderer Akteure sowie die Vor- und Nachteile aufgeführt. Besonderes Augenmerk wurde dabei auch auf die anderen Tierarten gelegt, die neben den Kitzen Opfer der Feldarbeit werden können.
Genau an dieser Stelle scheiden sich aber die Geister, denn für das Auffinden der Bodenbrütergelege als Königsdisziplin der Wildrettung oder der Rettung von Junghasen gibt es kaum geeignete Methoden. »Wenn wir wirklich die Bodenbrüter retten wollen, müssen wir zurück zur Heugewinnung, in gefährdeten Lagen auf die Grassilage verzichten und frühestens Ende Juni mit der Grasmahd beginnen«, so Mohr.
Am Feldstand 1 waren vor einem Traktor mit Mähwerk im ungemähten Gras verschiedene Präparate vom Rehkitz bis zum Bodenbrüter-Gelege ausgebracht und die Besucher konnten vom Fahrersitz aus selbst testen, wie schwer Kitze und Gelege zu erkennen sind. »Unmöglich«, war das Fazit aller Teilnehmer. Am Feldstand 2 wurden die »klassischen« Vergrämungsmethoden von der Papiertüte, Windrädchen, Blinklicht bis zur neuesten elektronischen Wildscheuche dargestellt. Feldstand 3 war der Wildsuche durch versierte Hundeführer gewidmet und die Möglichkeiten und Grenzen der vierläufigen Jagdhelfer gezeigt.
Neueste Technik vermittelte der Feldstand 4, denn neben der Wildsuche durch Menschen und die Vorstellung bekannter Anbaugeräte am Schlepper wurde auch eine Drohne gezeigt, die ferngelenkt aus der Luft mit einer Wärmebildkamera auf Kitzsuche geht. Daneben wurden tragbare Geräte mit Infrarotsensoren vorgeführt. Die Drohne wurde aber nur der Vollständigkeit halber gezeigt, obwohl die Technik, so der Jäger-Vorsitzende, weit von einer Praxistauglichkeit entfernt ist. »Und so lange erscheint uns Schallkanone, Windrädchen und klassische Methode, Suche mit Jäger und Hund, die derzeit beste Lösung«, war das Fazit von Andreas Mohr.
Als eine bedingt wirksame und bezahlbare Methode hat sich die Verwendung von sogenannten »Schallkanonen« herausgestellt, die an den Schleppern befestigt sind und aus der Praxis heraus erste Erfolge erzielen. Sie waren an Feldstand 5 zu begutachten. Andreas Mohr lobte die Bauern: »Über 200 Landwirte in Wetterau und Vogelsberg zeigten sich 2014 spontan bereit, der Bitte des Jagdvereins Hubertus Büdingen zu folgen und diese Schalltechnik als Vergrämung auszuprobieren«. Über 100 dieser Landwirte wurden von Holger Schneider, dem Hegeringleiter von Nidda, nach ihren Erfahrungen befragt. Die Auswertung der Ergebnisse zeigte Verbesserungsmöglichkeiten und nun werden Gespräche mit dem Hersteller geführt.
Der letzte Feldstand zeigte die Maßnahmen auf, die ein Landwirt hat, um Mähverluste zu vermeiden, etwa die Mahdrichtung, Mähtechnik oder Mahdtermin. Hier wurde ein EU-Projekt vorgestellt, das in Österreich erfolgreich läuft. Es handelt sich um die Abkehr von der Silagefütterung zugunsten der früher üblichen Winterfütterung des Stallviehs mit Heu. Über 8.000 Landwirtschaftsbetriebe haben die Uhr wieder zurückgedreht und bekommen für ihre Heumilch auskömmliche Preise. Der Markt belohnt diese Produkte, denn sie werden mittlerweile auch in hessischen Supermärkten verkauft. Damit, so Mohr, »könnten auch bei uns viele Leben gerettet werden und wir hätten der Biodiversität einen wirklichen Dienst erwiesen.«
Fazit des 1. Büdinger Feldtages mit Blick ins Hessenland: er hat nicht nur große Öffentlichkeitswirkung, sondern Andreas Mohr schlug damit eine Brücke zur Landwirtschaft und zeigte einen gemeinsamen Weg auf. Und die Zusammenarbeit in der Wetterau war für den Jagdvereins-Vorsitzenden »hervorragend«, wie auch die jüngste Feldhasen-Zählung in der Region mit Bauernverbandsvertretern beweist. Der Feldtag des Jagdvereins schaffte eine sichtbare Plattform, um zu zeigen, was sich sonst heimlich und unbemerkt in den Revieren abspielt: Das Zusammenspiel zur Rettung von Rehkitzen und Gelegen. »Nun werden hoffentlich auch die Landwirte und Lohnunternehmer wach, die noch nicht von den verschiedenen Möglichkeiten, insbesondere der Schallkanone, Gebrauch machen«, hofft Andreas Mohr.
Lob kam bereits vom Lohnunternehmer Mathias Mäser (Büdingen-Wolf), der gemeinsam mit seinem Kollegen Heinz Tönges (Steinfurth) als Vertreter des Regionalbauernverbandes Wetterau-Frankfurt am Main e.V. den Feldtag in Düdelsheim besuchte. Der Praktiker, persönlich bemüht, mit seinen Maschinen Kitz- und Gelegeverluste zu vermeiden und ebenfalls Anwender von Schallkanonen, sah im 1. Feldtag des Jagdvereins »Hubertus« Büdingen ein »Vorzeigeprojekt«, wie sich Jäger und Landwirte gemeinsam in der Öffentlichkeit präsentieren können. Der gegenseitige Nutzen, der Wissensaustausch, müsse noch stärker forciert werden. Am Bild des die Öffentlichkeit sensibilisierenden Rehkitzes sei das gemeinsame Handeln hervorragend darstellbar. »Das aber ist Naturarbeit von Jägern und Landwirten gemeinsam«, brachte es Jagdpächter und Hundeführer Reiner Schulze (Heegheim) auf den Punkt.
Büdingen-Wolf (hr). Der Monat Mai ist in der Landwirtschaft die Zeit, in der landwirtschaftliche Betriebe mit Viehhaltung auf den ersten Grasschnitt angewiesen sind. Dann brummen die Kreiselmäher – und oft werden die saftigen Wiesen zur Todesfalle für Rehkitze. Das wissen auch verantwortungsbewusste Bauern und melden bei den Jägern trotz dem Einsatz von »Schallkanonen« zur Abschreckung den Grasschnitt an. Denn vom hohen Traktorsitz sind die durch ihr geflecktes Fell getarnten Kitze so gut wie unsichtbar.
Im Revier Büdingen-Wolf melden jedes Jahr die Landwirte Hartmut und Jens Mäser (Büches), Gustav Schmück (Büdingen) und Mathias Mäser (Wolf) den Zeitpunkt, wenn sie, die Traktoren mit »Schallkanonen« bewaffnet, zur Grasernte ausfahren. Dann werden von Jagdpächter Hans-Dieter Stehr Maßnahmen ergriffen, um grausame Mähverluste bei den Rehen zu vermeiden. Eine bewährte Möglichkeit sind bunte Windrädchen aus dem Baumarkt, die, auf Holzpfosten angebracht, die Rehgeiss vergrämen. Tritt die vorsichtige Rehmutter aus dem Wald und sieht die bunten, sich drehenden Windräder im Gras, legt sie dort in den Nachtstunden ihr Kitz in der Regel nicht ab. Wenn es zeitlich möglich ist, unterstützen die Jäger die Landwirte kurz vor der Mahd, indem sie die Wiesen mit Hund und Mannschaft absuchen. Auch da finden sich oft die kleinen »Bambis«, die sich gerade in den ersten Tagen nach dem Setzen instinktiv ins hohe Gras drücken und – dann noch »geruchlos« – oft überlaufen werden. Die Natur schützt das kleine Tier in seinen ersten Lebenstagen durch Geruchlosigkeit, weil die staksigen Beinchen das junge Reh noch nicht richtig tragen. Später hüpft es der Rehmutter hinterher.
Zur ersten Mahd im Wiesengrund am Wolfsbach bei Dudenrod informierte deshalb Lohnunternehmer Mathias Mäser (Wolf) Jagdpächter Hans-Dieter Stehr, der mit Ehefrau Kornelia und Deutsch-Kurzhaar-Vorstehhund »Caesar vom Hellwegufer« »ausrückte«, um vor der großen Maschine mit dem Kreiselmäherwerk die Wiese abzusuchen.
Mäser hatte seine »Schallkanone« aktiviert – und prompt sprang am Wolfsbach eine Rehgeiss ab. Das kleine Team war gewarnt und intensiv ging die Suche los. Die abgesuchte Fläche wurde dann von Mathias Mäser abgefahren, das Gras geschnitten. Obwohl Jäger und Landwirt intensiv aufpassten, war die Hundenase verlässlicher. Vorstehhund »Caesar« an der Feldleine »zog« plötzlich an und verharrte in bester Vorsteh-Manier: Er hatte Wild in der Nase und zeigte es beeindruckend. Kurz vor dem Deutsch-Kurzhaar lag ein kauerndes Rehkitz, das erst durch die herbei geilte Jägerfrau und den Landwirt absprang – und im sicheren Wald verschwand.
Ein glücklicher Ausgang, mit dem alle zufrieden waren. Eine Beispiel, wie praktischer Tierschutz aussehen kann.
Informieren, Zeigen, Austauschen, Verstehen
Büdingen (hr). Es ist sogar landesweit ein neuer »Leuchtturm«, was am letzten Samstag im Rahmen des 10. Hessischen Naturschutztages 2015 am Eingang des renaturierten US-Heliports in Büdingen ablief: Die BUND-Flagge an der Bundesstraße zwischen Orleshausen und Büdingen wies den Weg zu einer bislang einmaligen Zusammenarbeit zwischen Jägern und Naturschützern. »Zum Wohl der Natur und geschützter Arten«, wie es alle Verantwortlichen und Vertreter von Stadt und Verbänden feststellten. Die Jäger des Reviers Büdingen-Wolf informierten dazu über die Bejagungsmöglichkeiten in dem sensiblen Revierteil, das vom Bundesforstamt Schwarzenborn verwaltet wird. Im Fokus der Schutzmaßnahmen für Flußregenpfeifer, Rotschenkel, Kiebitz und Bekassine, Weißstorch und Biber stand die Fangjagd vor Ort mit Lebendfallen. Deren tierschutzkonforme Wirkungsweise wurde von Fallenfachmann Hans Hess erläutert.
In Sichtweite des Horstes mit den beiden Weißstörchen informieren die Jäger des Jagdreviers Büdingen-Wolf über »Verantwortungsvolle Jagd als Beitrag zum Artenschutz«. Die gemeinsame Aktion von BUND-Ortsverband Büdingen und dem Revier Büdingen-Wolf wurde durch den NABU sowie den Jagdverein »Hubertus« Büdingen unterstützt. Der für das Revier Büdingen-Wolf zuständige Jagdpächter Hans-Dieter Stehr, in dessen Bereich der renaturierte ehemalige US-Flugplatz liegt, konnte zu diesem ungewöhnlichen Termin neben zahlreichen interessierten Bürgern auch Büdingens Bürgermeister Erich Spamer, von der Naturschutz-Seite Alexandra Bücking und Matthias Kalkhof (BUND-Ortsverband Büdingen), Alfred Leiß (NABU-Ortsgruppe Bindsachsen und Vorsitzender des Kreisnaturschutzbeirates), Gudrun Lindenberger (NABU-Ortsgruppe Büdingen) und Harry Messerschmidt (NABU-Ortsgruppe Büdingen und Cartoonist) begrüßen. Mit dem Grünen-Stadtverordneten Volker Thielmann war auch das Büdinger Stadtparlament vertreten. Die Jägerseite vertrat neben Jagdpächter Hans-Dieter Stehr und seinem Revierteam mit dem Fallenbeauftragten Hans Hess an der Spitze, Andreas Mohr, 1. Vorsitzender, Peter Schinzel, Ausbildungsleiter, und Klaus Wörner als Naturschutzbeauftragter des Jagdvereins »Hubertus« Büdingen.
Jäger Hans-Dieter Stehr, der gemeinsam mit Wilfried Balser in der Verantwortung des Reviers Büdingen-Wolf steht, verwies darauf, mit dem Termin am 9. Mai einziger Vertreter der Jägerschaft beim 10. Hessischen Naturschutztag 2015 zu sein. Für dieses Zustandekommen dankte er Alexandra Bücking vom BUND-Ortsverband Büdingen und ihrer »sachlichen, praxisbezogenen Argumentation«. Auf dem renaturierten Heliport sei ein beispielhafter Lebensraum entstanden, der seine Anziehungskraft auf Storch oder Biber, Kiebitz oder Flussregenpfeifer als nicht dem Jagdrecht unterliegende Tierarten, aber auch Ente, Fasan und Feldhase, die in der Jäger-Verantwortung liegen, ausübe. Das wissen aber auch, so Stehr, die Beutegreifer Fuchs und Waschbär und stellen den seltenen Arten meistens in den Nachtstunden nach. Als Jäger könne man zwar den Artenschwund nicht aufhalten, aber vor allem mit Lebendfallen schützend eingreifen! Die Jäger setzen insbesondere auf Holzkasten- und Betonrohrfalle, die eine Fangjagd unter Berücksichtigung der sensiblen Wasserbüffel und Weißstörche mitten im Biotop zulassen. Wie das geschieht, demonstrierte Fallenfachmann Hans Hess eindrucksvoll.
Beeindruckt vom Gesamtpaket mit Cartoons von Harry Messerschmidt, »Steckbriefen« der neuen »Bewohner« des renaturierten Heliports, Beobachtungsmöglichkeiten des Biotops durch die Ferngläser der Jäger, Präparaten von Ente, Fuchs und Waschbär waren sich alle Nichtjäger einig: »Mit dieser Information bekommen wir ein neues Bild von der Jagd!«
Für den Naturschutz sprach Alfred Leiß bei diesem Termin von Leuchtturmfunktionen. In einer Kulturlandschaft, die von oben scheinbar »unordentlich« aussehe, habe man mit dem renaturierten Heliport eine Vielzahl von Kleinlebensräumen als Refugium für alle möglichen Tierarten geschaffen. Der Vorsitzende des Naturschutzbeirates im Wetteraukreis dankte der Stadt Büdingen dafür, dass sie den Heliport nicht rekultiviert und zu Wiesen gemacht habe. Im Gegenteil, so Leiß, »die Stadt Büdingen hat sich getraut, Wildnis zuzulassen«.
Ein weiterer »Leuchtturm« war für Leiß der Einsatz von Jagdpächter Hans-Dieter Stehr. Mit ihm habe man einen Jäger gefunden, der sich »komplett auf die Situation einlässt und für die Unterhaltung eines Lebensraumes so eintritt, wie es sich die Naturschutzseite seit Jahrzehnten vorgestellt hat«. Das sei nicht selbstverständlich. Wichtig war es an dieser Stelle für Hans-Dieter Stehr zu betonen, dass von Naturschutzseite durch die »Zusammenarbeit auf Augenhöhe« nie von jagdlichen Einschränkungen zu spüren war. Es gebiete der Sachverstand, in den Sommermonaten mit wenig Manpower anzutreten, dafür könne man in der Winterzeit ohne Wasserbüffel und Zugvögel auch mit Flinte und Jagdhund intensiver zu Werke gehen.
Für die Stadt Büdingen dankte Bürgermeister Spamer den Verantwortlichen von Naturschutz und Jagd für ihr gemeinsames Einstehen und betonte, dass der neue Lebensraum durch die Erweiterung über den Seemenbach noch größer werden soll. Der Bürgermeister sprach sich insgesamt für die Jagd aus, denn den Jägern sei auch die Erhaltung des Waldes durch die Regulierung des Schalenwildes anheim gestellt.
Die Besucher konnten sich mit einem Cartoon von Harry Messerschmidt eine originelle Erinnerung an den jagdlichen Naturschutztag in Büdingen mitnehmen.
Biotopgestaltung im Feld
Düdelsheimer Pilotprojekt als Brücke zwischen Landnutzung und Naturschutz
Das »Düdelsheimer Modell der Neubegrünung von Graswegen« beweist, dass der Erhalt prägender Tierarten unserer Kulturlandschaft, die andernorts immer mehr zur Kultursteppe wird, möglich ist. Durch das Pilotprojekt von Ortsbeirat, Natur- und Vogelschutzgruppe, Jagdgenossenschaft und Ortslandwirt Düdelsheim, der Initiative »Pro Natur« der Hegegemeinschaft Büdingen-Nord, Jagdverein »Hubertus« Büdingen, Landesjagdverband Hessen und dem Düdelsheimer Feldschütz bekommen sensible Feldbewohner wie Rebhuhn, Fasan und Hase eine neue Zukunft. Dazu wurden Graswege als lineare Vernetzungselemente erhalten und neu eingesät. So entstehen, erläutert der Vorsitzende des Jagdvereins »Hubertus« Büdingen, Andreas Mohr, gleichzeitig Naturschutzfachmann und Initiator, auf den mit Wildkräutern neu eingesäten Wegen Grenzlinien sowie Deckung und Äsung entlang der großen Äcker. Diese neu geschaffenen, wildfreundlichen Streifen stellen nicht nur eine wichtige lineare Biotopvernetzung dar, sondern bieten Wind- und Wetterschutz in der winterkahlen Landschaft und mindern durch die Verwurzelung der Wildpflanzen die Bodenerosion. Sie werden dadurch zu Abflusshindernissen für die fruchtbare Bodenkrume, die vom Starkregen aus den großen Maisschlägen abgewaschen wird. Weiterer Naturschutzvorteil: eine lange Bienenweide entsteht. Nach dem Ende der Raps- und Obstblüte wird für die Bienen in unserer Agrarlandschaft die Pollentracht zum Mangel. Die auf den Wegen eingesäten Pflanzenmischungen tragen dagegen bis in den Herbst hinein wechselnde Blüten und werden nicht nur von den Bienen, sondern einer Vielzahl von Insekten genutzt.
Durch die intensive Nutzung unserer Felder, so Mohr, sei kaum ein Landwirt bereit, Flächen stillzulegen und zur neuen Heimat für Feldbewohner bis hin zum bedrohten Hamster umzugestalten. Die langen Feldwege erfüllten den gleichen Zweck und können obendrein von den Landwirten befahren werden, wenn es sein müsse. Entscheidend für die Wirkung sei der Bewuchs. Auf den neu eingesäten Wegen wachsen nun statt einförmiger Grasmischungen Wildkräuter wie z.B. Buchweizen, Sonnenblume, verschiedene Malvenarten, Steinklee oder Flockenblume, Lupinen, Fenchel und schwarze Königskerze. In Düdelsheim werden die noch nicht zu Ackerland umgepflügten Graswege genutzt, um sie dauerhaft als Strukturelement in der Landschaft zu erhalten, die Biotopvernetzung und die Pflanzenvielfalt zu fördern und Lebensraum für die Arten der Feldraine zu gestalten. Sie finden dort Deckung und Nahrung, insbesondere sobald die Ernte innerhalb weniger Tage die Feldflur vollständig verändert.
Die Düdelsheimer Gemarkung nördlich des Seemenbaches ist als fast ausgeräumte Agrarlandschaft mit betonierten oder geschotterten Hauptwegen durchzogen. Aber, so stellte Andreas Mohr als sachkundiger Jäger fest: »Die Flurbereinigung hat uns daneben aber auch ein Netz von Erdwegen ohne Befestigung, die nur während der Ernte befahren werden, belassen«. Diese Graswege sind mit einer robusten Grasvegetation überzogen, die im Frühsommer gemulcht wird, um Sameneintrag in das benachbarte Getreide zu verhindern. Sobald nun die Felder abgeerntet sind, fehlen den Feldarten vom Hamster bis zum Rebhuhn, den Singvögeln und Insekten, Deckungs- und Nahrungsflächen. Nur diese Graswege und die wenigen Grabenraine können diese Funktion noch ausfüllen – in Düdelsheim immerhin über 120 Graswege und hier setzte Mohr den Hebel an.
Um die Ressourcen aus den vorhandenen Graswegen, von denen einige bereits umgebrochen und in die Äcker integriert wurden, zu nutzen, hat Andreas Mohr Büdingens Bürgermeister Erich Spamer gebeten, die Entscheidung über weitere Umbrüche zurückzustellen. Grundsätzlich handelt es sich bei der Umwandlung eines Graswegs in Ackerfläche um einen Eingriff nach Naturschutzrecht, der ausgeglichen werden muss. Der Umbruch steht damit unter Genehmigungsvorbehalt der Naturschutzbehörde.
Wichtig ist auch, den »Feinddruck« zu beachten, denn die Biotopverbindungen und Deckungsflächen werden nach der Ernte von Hase, Fasan und Rebhuhn bevorzugt angenommen. Die Kosten der Maßnahme wurden von der Jagdgenossenschaft, der Natur- und Vogelschutzgruppe und den Jägern getragen. Die Naturschutzbehörde des Wetteraukreises unterstützt das Projekt mit entsprechenden Zuschüssen.
Aus Brache wird neuer Lebensraum
Zum zweiten Mal in meiner Pachtperiode des Reviers Büdingen-Wolf hat im Revierteil Wolf nach dem Lohnunternehmer Mathias Mäser auch der Lohnunternehmer Otwin Mäser zwei weitere Äcker als Stillegungs-Flächen bereitgestellt. Künftig fallen 0,4 ha in der »Wolbig« und 0,3 ha im Gemarkungsteil »Im neuen Feld« fünf Jahre als Brache aus der intensiven Bewirtschaftung. Die Jäger haben wie im Fall von Mathias Mäser, ebenfalls im Gemarkungsteil »Wolbig«, auch Otwin Mäser sowohl Herbst- und Winteräsungsgemisch und, da in Waldrandnähe, eine Reh- und Hasengartenmischung kostenlos bereit gestellt.
Am Mittwoch, dem 6. Mai 2015, wurden von Otwin Mäser die Mischungen auf die Flächen ausgebracht. Unser Bild oben in der Wolbig, unten im Gemarkungsteil »Im neuen Feld«.
Das eröffnet neue Perspektiven für die in einem Revier-Konzept festgelegten Naturschutzmaßnahmen des Reviers Büdingen-Wolf, zu denen neben dem renaturierten US-Heliport auch der Eichelberg, die »Weißen Gräben« und die Wildäsungsflächen im Wald zählen. Mitjäger Hans Hess hat beide Wald-Wildäsungsflächen gepflügt und sie werden demnächst mit Herbst- und Winteräsungsgemisch sowie Reh- und Hasengartenmischungen eingesät und bieten dann Äsung und Deckung.
Wichtiger wären Maßnahmen im Feldbereich mit seinen großen deckungsarmen Äckern. Hier sollen Hecken rekultiviert und verschiedene Graswege zu Wildäsungs- und Deckungsstreifen umgewandelt werden. Im Fokus steht der »Breite Weg« unterhalb Wolf Umweltdienste.
Dem Osterhasen gefällt die Wetterau
»34 Hasen haben wir in weniger als zwei Stunden gesehen, das ist richtig gut«, freut sich Andreas Mohr, Jagdpächter des Reviers Heuchelheim in der Wetterau. Spätabends ist er in seinem Revier unterwegs, um die scheuen Langohren zu zählen. Denn auch in einem Jagdrevier gibt es so etwas wie eine Inventur. »Jäger kennen die Tierarten, die in ihren Revieren heimisch sind – von Wildschwein und Reh bis zu Hase, Fuchs und Fasan«, erläutert Mohr und ergänzt: »Nur so ist eine vernünftige Hege, also die Betreuung und Pflege des Wildes, auch möglich.« Um sich ein persönliches Bild zu machen, begleiteten Herwig Marloff (Kreislandwirt und Vorsitzender des Regionalbauernverbandes Wetterau-Frankfurt a.M.), Florian Dangel (Geschäftsführer des Regionalbauernverbandes Wetterau-Frankfurt und des Kreisbauernverbandes Hochtaunus), Heinz Thönges (Vorsitzender des Kreisverbandes Wetterau der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer) und Bernd Ostheim (Jagdgenossenschaft Heuchelheim-Gettenau) die Jäger bei der nächtlichen »Scheinwerfer-Taxation«, wie diese Art der Hasenzählung wissenschaftlich heißt, im Revier Heuchelheim.
Mohr, der auch Vorsitzender des Jagdvereins Hubertus Büdingen ist, sucht mit einem starken Scheinwerfer das Feld ab. Sobald sich etwas im Lichtkegel bewegt, schaut er genau hin. Gerade hat er so wieder drei Hasen entdeckt. Sorgfältig notiert er den Ort und die Anzahl der Tiere in einer großen Revierkarte. Anhand der Zahlen kann er am Schluss erkennen, wie es Meister Lampe aktuell in seinem Revier geht. Mitte der 70er Jahre ging der Feldhasenbesatz überall drastisch zurück. Viele Ursachen dafür wurden diskutiert und untersucht. »Fest steht heute, dass es nicht nur einen Grund für den Rückgang gab, sondern ein ganzes Bündel an Ursachen dazu führte, dass der Hase in vielen Regionen um das Überleben kämpfen muss«, so Mohr.
Mittlerweile haben sich die Hasenbesätze wieder leidlich stabilisiert, auch wenn sie nicht an die Hasendichten Mitte des letzten Jahrhunderts heranreichen. In der Südhälfte Hessens wurden in den vergangenen Jahren nicht unter 30 Hasen auf 100 Hektar gezählt. In Spitzenrevieren registrierte man sogar bis zu 90 Stück auf 100 Hektar. Das freut die Jäger und auch die Bauern, die die Zählaktionen der Grünröcke begrüßen. Herwig Marloff, Vorsitzender des Regionalbauernverbandes Wetterau-Frankfurt, ist erfreut: »Die Wetterau ist intakt. Das hohe Hasenaufkommen ist ein Indikator für den guten Zustand der Wetterau als Lebensraum.« Er ist überzeugt, dass sich das nachhaltige Handeln von Landwirten und Jägern vor Ort auszeichnet. »Hier erleben wir, dass unser Motto »Schützen durch Nützen« offensichtlich funktioniert.«
Heinz Thönges, Vorsitzender des Verbandes der Jagdgenossenschaften in der Wetterau pflichtet ihm bei: »Da wir uns als Jagdgenossen der Erhaltung der Tierwelt und seiner natürlichen Lebensgrundlagen in der Kulturlandschaft verschrieben haben, freut es uns, wenn sich Erfolge wie beim Hasenaufkommen einstellen.« Kritisch äußert er sich zu aktuellen Plänen einer neuen Jagdverordnung in Hessen: »Das gute Miteinander der Akteure wird durch ausufernde Einschränkungen bedroht. Für unsere Jagdreviere könnte dies weit reichende Folgen haben.«
Florian Dangel, als Geschäftsführer sowohl für den Regionalbauernverband, als auch für den Jagdgenossenschaftsverband verantwortlich, gibt zu bedenken: »Wenn Landwirte, Jagdgenossen und Jäger gemeinsam agieren, profitiert der ganze Lebensraum. Dies zeigt die steigende Hasenpopulation exemplarisch. Auch zum Naturschutz besteht vor Ort häufig ein gutes Verhältnis. Dieses funktionierende Miteinander sollte nicht durch eine zu starke Reglementierung in Frage gestellt werden.«
Der Hase, 2015 Tier des Jahres, ist ebenso wie das Rebhuhn oder die Feldlerche, ein Zeiger für die Lebensbedingungen vieler Arten in der freien Feldflur. »Geht es ihnen gut, dann sind die Voraussetzungen im Lebensraum auch für viele andere Arten so gut, dass sie sich erfolgreich vermehren und ihre Jungtiere großziehen können«, erklärt Mohr. Die Sterblichkeit des Nachwuchses aber, da sind sich die Wissenschaftler einig, ist der Schlüssel zum Verständnis niedriger Populationen. Eine wesentliche Grundlage ist dabei die Feststellung, wie sich der Besatz im Laufe der Zeit entwickelt. Dazu werden die Hasen deshalb kontinuierlich beobachtet und gezählt – im Frühjahr und auch im Herbst. In vielen Revieren werden heute und in den folgenden Nächten Hasen gezählt. Auf einer jährlich gleichen Fahrstrecke werden die Felder mit einem starken Scheinwerfer abgeleuchtet und die gesehenen Hasen dann registriert. Aus der Differenz zwischen den Herbst- und den Frühjahrszählungen lässt sich ermitteln, wie vielen Hasen der Winter das Leben kostete.
Große Hasenjagden wie bis zu den 70er Jahren üblich, gibt es jedoch schon lange nicht mehr. Die meisten Tiere sterben durch den Straßenverkehr oder durch körperliche Erschöpfung aufgrund von schlechtem Wetter, Alter oder Störungen durch Menschen, die sich immer mehr für Querfeldein-Sportarten begeistern. Viele werden auch von Raubtieren gefressen oder durch den Einsatz großer landwirtschaftlicher Maschinen getötet.
»Die nun im Frühjahr gezählten Hasen werden sich auch in diesem Jahr wieder erfolgreich fortpflanzen«, hofft Mohr. Jede Häsin kann drei bis vier Sätze mit zusammen etwa 15 Junghasen in diesem Jahr zur Welt bringen. Wie viele von ihnen die schwierige Aufzuchtphase überleben, werden die Herbstzählungen zeigen.
Bejagung von Fuchs und Waschbär schützen Bekassine und Kibitz
Eine Säule des Artenschutzes neben der Lebensraumverbesserung ist die Bejagung räuberischer Arten, an erster Stelle Fuchs und Waschbär. Dies gehe am besten mit kontrollierenden Fallen für den Lebendfang, plädieren der Jagdverein »Hubertus« Büdingen für den Artenschutz. Und immer wieder gibt es in Politik und Öffentlichkeit Diskussionen verfehlten Tierschutzes, die ein Jagdverbot auf den Fuchs fordern.
Die Wirklichkeit sehe aber anders aus, stellen der Jagdverein und die Hegegemeinschaft Büdingen-Nord fest. »Ein Fang- und Baujagdverbot ist das schädlichste, was man für den Schutz benachteiligter Arten ernsthaft fordern kann«, sind sich Naturfachleute wie Jagdvereins-Vorsitzender Andreas Mohr einig.
Das Märchen von der Selbstregulierung von Fuchs und Beute sehe anders aus. Dort wo es in unserer ausgeräumten Feldflur noch Lebensräume für Feldhase oder Fasan, aber identisch für Bekassine, Storch oder Kibitz, vielleicht sogar den Großen Brachvogel gebe, zögen sich auch die Beutegreifer hin, stellen die Jäger fest. Und wenn die gefressen sind, so Mohr, pendele sich das Beutegreifer-Niveau noch lange nicht auf niedriger Stufe ein – dann holten sich Fuchs und Co. eben in den Wohnsiedlungen, an Komposthaufen oder gelbe Säcke, ihre Nahrung. Belegbare Beispiele gebe es genug.
Beispielsweise konnten alleine im Revier Büdingen-Wolf im letzten Jagdjahr 29 Füchse und 41 Waschbären am Ansitz, bei der Streife mit dem Hund oder mit der Lebendfalle der Wildbahn entnommen werden. Und fast alle in so sensiblen Gebieten wie dem renaturierten US-Flugplatz mit seinen seltenen Tierarten, dem Eicheberg – oder im Dorf- wie Stadtbereich. »Besonders der Waschbär hat sich bei den Menschen eingerichtet und wird hier zur Plage. Das ist Fakt und da brauche ich auch keine Diskussionen«, so Jagdpächter Hans-Dieter Stehr. Er belegt dies anhand der jährlichen Statistiken. »Wir stellen uns der Problematik und legitimieren uns noch auf eigene Kosten durch die Teilnahme an Fallenbaulehrgängen des Jagdvereins«.
In diesem Zusammenhang weist die Hegegemeinschaft Büdingen-Nord darauf hin, dass Fallwild an den Straßen, das heißt vom Auto »erlegte« Tiere, kommentarlos von den Jagdausübungsberechtigten entsorgt werden. Immer wieder erreicht die Jagdpächter von Autofahrern, Spaziergängern und Polizei der Hinweis, »da liegt ein toter Waschbär oder Fuchs an der Straße«. Nicht schön anzusehen, doch rein rechtlich ist ein totgefahrenes Tier herrenlos und muss eigentlich von Stadt oder Staat entsorgt werden. Und dann fangen bei den Behörden oft die Probleme an, die die Jäger unbürokratisch übernehmen. Auf eigene Kosten, denn Fallwild wird in Konfiskatstonnen beim Metzger gebührenpflichtig entsorgt.
Die Straßen im Büdinger Wald sind bekannt für ihren hohen Blutzoll bei Wildtieren. Oft genug kommt es bei Wildunfällen aber auch zu Verletzten – und zu teils schweren Blechschäden. Im Jahr 2012 waren es in Deutschland mehr als 258.000 Kollisionen mit Wild. Zwar endeten sie meisten glimpflich und es blieb beim Blechschaden. Die Kosten waren jedoch erheblich: Der Schadenaufwand in der Fahrzeugversicherung lag 2012 bei über 583 Millionen Euro. Zudem wurden rund 3.000 Kraftfahrer zum Teil schwer verletzt und 20 Menschen starben bei Wildunfällen. Im Bereich der Polizeistation Büdingen ist bei rund 320 Unfällen im Jahr jeder Fünfte ein Wildunfall. Allen Grund also, für Abhilfe zu sorgen. Ihren Teil tragen die Jagdpächter der Reviere Meißnest, Lorenz und Balser/Stehr bei, die jetzt durch die Unterstützung des Jagdvereins »Hubertus« Büdingen vergünstigte Wildwarnreflektoren der neuesten Generation anschafften und entlang der viel befahrenen Landesstraßen installierten.
Die B 457 zwischen Büches und Büdingen, L 3193 Büdingen und Bindsachsen, L 3010 zwischen Büdingen und Rinderbügen und L 3195 zwischen Christinenhof und Wolf liegen alle zwischen teils ausgedehnten Waldgebieten. Wenn Wildunfälle bei der Polizei gemeldet werden, tritt oft ein Ablauf in Kraft, den nur die wenigsten kennen. »Wir fahren bei Wind und Wetter, zu jeder Nachtzeit zum Unfallort und finden oft schlimme Situationen vor. Im besten Fall stehen beschädigte Fahrzeuge und verstörte Lenker dabei, während das betroffene Wild, zu 80 Prozent Rehe, aber auch Wildschweine, Füchse und Waschbären, zerfetzt und blutig auf der Straße liegen«, schilderte ich als Jagdpächter die Situation für alle Kollegen. Immer wieder sei es notwendig, angefahrenes Wild vor Ort von seinem Leiden zu erlösen. Bilder, die selbst einem erfahrenen Weidmann an die Nerven gehen.
Im Bereich der Polizeistation Büdingen waren es (2011) 69, (2012) 82 und (2013) 69 Wildunfälle, belegt der Leiter der Polizeistation, Christof Stark, die Statistik. Er kennt auch die zeitlichen Schwerpunkte: Montags, dienstags und donnerstags werden Spitzenwerte erreicht, morgens zwischen fünf und sechs Uhr springt am häufigsten Wild vors Auto, abends um 22 Uhr. Insgesamt ist morgens zwischen vier und sieben Uhr »Wildzeit«, abends zwischen 20 und 23 Uhr.
Deshalb schlossen sich die drei Reviere Meißnest, Lorenz und Balser/Stehr kurz und nutzten ein Kollektivangebot des Jagdvereins »Hubertus« Büdingen, neue, blaue Wildwarnreflektoren mit entsprechender Spiegelung. Die drei Reviere konnten sich über einen Zuschuss der Jagdgenossenschaften Büdingen, Wolf und der Hegegemeinschaft Büdingen-Nord freuen. Alleine im Revier Balser/Stehr, das rundum von Straßen begrenzt wird und in den vergangenen Jahren mit die höchste Wildunfallquote zu verzeichnen hatte, wurden von Büdingen bis zum Christinenhof, über Dudenrod, Wolf und die Ruhebank bis Büdingen fast 200 Wildwarnreflektoren installiert. Damit wurde die gesamte Strecke der bekannten Unfall-Stellen neu bestückt oder alte, rote Reflektoren gegen neue, blaue ersetzt.
Bei einem Ortstermin bekräftigten Polizei, Jagdgenossenschaft, Jagdverein und Jäger, sich weiter für eine Minimierung der Wildunfälle einzusetzen. Damit einher ging die Bitte der Jagdpächter an HessenMobil, auf den Rückschnitt der Hecken und Sträucher am Straßenrand und entsprechende Wildwechselschilder zu achten – ebenfalls ein Teil der Präventivmaßnahmen.
Zur Vermeidung von Wildunfällen mahnte der Leiter der Polizeistation Büdingen, Christof Stark, die Autofahrer, in jedem Fall die Geschwindigkeitsbegrenzungen und Wildwarn-Schilder zu beachten, denn die seien aufgrund der statistischen Unfallstellen installiert. Vorsicht sei das ganze Jahr geboten, nicht nur im Frühjahr oder Herbst. Und, so Jagdpächter Manfred Meißnest, der seinen Wildunfall-Schwerpunkt zwischen Büdingen und Rinderbügen hat, »besonders in der Dämmerung und vor allem nachts muss mit Wildwechsel gerechnet werden.«
Bürgermeister Erich Spamer dankte bei dieser Gelegenheit allen Jagdpächtern und ihren Mitjägern für den ehrenamtlichen Einsatz bei der Wildbergung. Das sei nicht selbstverständlich, zumal damit immer Aufwendungen wie das Ausstellen der Wildunfall-Bestätigung für die Versicherungen und die kostenpflichtige Entsorgung des toten Wildes in der Tierkörperbeseitigungsanlage verbunden seien. Vom nächtlichen Einsatz ganz zu schweigen. Jagdpächter Hans-Dieter Stehr kommt der Verpflichtung, Tag und Nacht erreichbar zu sein, gerne nach. Denn: »Beim Wildunfall können wir unseren Mitbürgern helfen und für die Notwendigkeit der Jagd werben.«
Wo noch vor einem Jahrzehnt Helikopter der US-Army zu Übungsflügen starteten, wo Beton den Boden versiegelte, Rotoren knatterten und der Boden belastet war, ist ein neues Kleinod entstanden. Nur knapp ein Jahr, nachdem unter der Projektleitung des Bundesforstbetriebs Schwarzenborn das rund 12 ha große Gelände mit Bundesmitteln, refinanziert über den Verkauf von Ökopunkten, renaturiert wurde, hat Büdingen vor seinen Toren ein Refugium für seltene Tier- und Pflanzenarten, das bereits die Wertschätzung der Naturschutzfachleute genießt. Nach einem klärenden Gespräch gehöre ich jetzt auch als zuständiger Jagdpächter des im Revier Büdingen-Wolf liegenden Areals zu einer Allianz, die den Natur- und Artenschutz im ehemaligen Heliport auf ihre Fahnen geschrieben haben. Einig waren sich alle Naturschutzfachleute über die Notwendigkeit der Raubwildjagd, insbesondere von Fuchs und Waschbär, zum Schutz seltener Arten.
In einem gemeinsamen Ortstermin einigten sich Michael Schwarz (Untere Naturschutzbehörde des Wetteraukreises), Dominique Meyer (Servicebereichsleiter Bundesforstbetrieb Schwarzenborn), Harald Fuhrländer (Revierleiter Forstrevier Südhessen), Andreas Mohr (Vorsitzender des Jagdvereins »Hubertus« Büdingen), Veit Leinberger (Landwirt und Wasserbüffelhalter) und ich darauf, die naturschutzfachlich wertvollen Renaturierungsbereiche des in der Seemenbachaue liegenden ehemaligen Hubschrauberflugplatzes maßvoll zu bejagen. Hier findet der vom Landesjagdverband geprägte Begriff von der »Jagd als angewandtem Naturschutz« seine volle Berechtigung. Allerdings sei Bejagung mit Augenmaß und Kompetenz nötig. Alle Beteiligten waren sich einig, dass Tierarten wie Biber oder Storch, Kibitz oder Flussregenpfeifer, seltene Reptilien und all die Arten, die sich in dem neuen Biotop als Lebensraum noch einstellen werden, ohne die Bejagung der Prädatoren, d. h. Raubwild wie Fuchs, Waschbär, Dachs, und Mink dauerhaft keine oder nur eine geringe Überlebenschance haben. »Rückzugsgebiete wie diese Renaturierungsfläche gibt es viel zu wenige und über dem Eichelberg wissen Fuchs und Co. schon längst von der neuen »Speisekammer« am Seemenbach«, umriss ich als Jagdpächter die Situation. Deshalb werde ich und mein Team vor allem durch den Einsatz von Lebendfallen und den Ansitz versuchen, den Prädatorendruck zu mindern. Nach Abzug der Wasserbüffel in der Spätherbst-/Winterzeit wollen wir auch durch Streifen auf der Fläche vor allem Fuchs und Waschbär habhaft werden, die sich bereits in der Stadt ungehindert fortpflanzen.
Da das gegenüberliegende Gebiet »Ruhebank« mit seiner Bundesstraße außerdem als Unfallschwerpunkt bekannt sei, gilt es mit den, nach Ende der Straßenbauarbeiten, zu installierenden Wildwarnreflektoren und einer entsprechenden Bejagungsstrategie Rehwild zu erlegen, bevor es leidvoll unter dem Auto verende – und dabei Menschen verletzt werden. Ich sehe als Jäger auch die Gefahr, dass Schwarzwild das Feuchtbiotop als »Badewanne« entdeckt und dabei Gelege und Elterntiere verspeist. Die Sauen gilt es deshalb im Auge zu behalten. Die Fachleute aus Naturschutz-, Forstverwaltung und Jagd, die die Bejagung durchaus als Modell für andere Projekte werteten, wollen sich durch gegenseitige Kommunikation ständig austauschen. Hinter der Strategie steht auch Alfred Leiß als Vorsitzender des Naturschutzbeirates im Wetteraukreis.
Kürzlich fand auf den Ackerflächen die mit der mehrjährigen Mischung "Biogas 1" zur Biogasproduktion bestellt sind, eine Besichtigung mit den verantwortlichen Fachleuten statt. Ziele waren es , einmal einen Überblick über den Zustand der Flächen zu bekommen, aber auch um die Landwirte vor Ort gezielt beraten und Fragen quasi direkt am Acker beantworten zu können. Werner Kuhn, einer der Väter des Projektes, verfügt inzwischen über reichhaltige Praxiserfahrungen aus zahlreichen Bundesländern, in denen die ökologisch sehr wertvolle Mischung "Biogas 1" angebaut wird.
Für die Projektverantwortlichen ist ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch mit den Landwirten unabdingbar, um die Erfahrungen der Praktiker gezielt in die Fortentwicklung der Mischung - die derzeit aus 25 verschiedenen heimischen Stauden- und Pflanzenarten besteht – einfließen zu lassen. Inzwischen favorisiert man eine Sommeraussaat nach einer Vorfrucht (z. B. Gerste). Hier wird dann direkt in die Stoppeln eingesät. Dadurch wird der Unkrautdruck deutlich reduziert. Es fehlen dann zwar die Sonnenblumen des ersten Standjahres, dafür entwickeln sich die mehrjährigen Pflanzen im Folgejahr umso besser.
Im hiesigen Bereich wurden seit 2011 – auf Initiative der Jägerschaft – ca. 30 ha landwirtschaftliche Fläche mit der Mischung "Biogas 1" bestellt und die Ernte wurde in insgesamt vier Biogasanlagen der Region verwendet. Leider haben einige Landwirte die Flächen inzwischen wieder umgebrochen. Grund dafür dürfte vor allem der im Vergleich zum Maisanbau geringere Ertrag der Wildpflanzenmischung sein. Ohne zusätzliche finanzielle Anreize ist es schwierig, Landwirte für den Wildpflanzenanbau zu gewinnen. So hoffen die örtlichen Jäger darauf, dass im Rahmen der gemeinsamen EU Agrarpolitik, die "EAW Flächen" als Greening Maßnahme anerkannt, bzw. über das hessische Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflegemaßnahmen Anreize für die Landwirte geschaffen werden, neben dem Maisanbau – als ökologische Alternative – auch Wildpflanzen zur Biogasproduktion anzubauen.
Die zahlreichen ökologischen Vorteile dieser Mischung , wie nahezu ganzjährige Deckungs- und Äsungsfläche für zahlreiche Tierarten, Bienenweide, Nahrungsquelle für zahlreiche Vogel- und Fledermausarten, kaum Wildschadensrisiko, Verhinderung von Bodenerosion etc. sprechen jedenfalls eindeutig für diese Anbauvariante.
Besonders beeindruckt zeigte sich Werner Kuhn und der hessische Projektleiter Dr. Bretschneider-Herrmann von einer Fläche in Marköbel. Dort haben zwei Landwirte gemeinsam eine sehr gute Ackerfläche für das Projekt zu Verfügung gestellt. Dies zeigte sich den Teilnehmern der Feldbegehung am bereits guten Aufwuchs, der sehr geringen Verunkrautung, aber auch an dem guten Ernteergebnis des Vorjahres.